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Auch der gewöhnliche Spatz ist spannend

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das Geheimnis des schwarzen Kehlflecks beim Männchen

Copyright: Johannes Erritzoe, 1996

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til toppenMännliche Hauspatzen haben wie bekannt einen schwarzen Kehlfleck. Bei der Beobachtung der Spatzen in ihrer natürlichen Umgebung entdeckte der als Professor in Paris arbeitende Däne Anders Pape Møller, dass die männlichen Vögel mit einem grossen schwarzen Kehlfleck über die Exemplare mit einem kleinen Kehlfleck dominieren. Dieses gilt sowohl bei der Futtersuche als auch bei der Partnerwahl. Hier werden die Männchen mit dem ausgeprägten schwarzen Kehlfleck von den weiblichen Vögeln eindeutig bevorzugt.
Es zeigte sich auch, dass die Männchen mit grossem Kehlfleck öfter zu Seitensprüngen neigen als ihre benachteiligten Mitgenossen, obwohl Spatzen allgemein in monogamen Paarverhältnissen leben.(Ref. 1)

til toppenBevorzugt das Weibchen einen "treulosen" Partner, bloss weil er einen grossen Kehlfleck aufweist? Ist der Kehlfleck ein Schönheitsideal für das etwas unscheinbare Weibchen oder ist die Antwort, wie sich in der Natur so oft zeigt, mehr komplex?

til toppenIn der Wissenschaft gilt, dass Forschungsergebnisse sehr oft unbeachtet bleiben oder als Kuriosität gelten, bis sie eines Tages von einem neuen Standpunkt aus gesehen werden. So auch in diesem Falle. Beim Forschen in der relevanten Literatur wurden zwei interessante Artikel als Ausgangspunkt zu diesem Thema herangezogen: Burrows und Titus entdeckten schon 1939, dass je grösser die Testikel beim Haushuhn, je mehr Samen wird bei der Paarung abgegeben (Ref. 2) und 1974 wurde von zwei anderen Forschern der Zusammenhang zwischen der abgebenen Samenmenge und der vegrösserten Chance der Befruchtung entdeckt.
Dieses ist für die weiblichen Tiere von entscheidender Bedeutung, da die Produktion von Eiern mit grosser Energie verbunden ist. Deshalb haben die männlichen Exemplare mit grosser Testes eindeutig den Vorteil, mehr Eier zu befruchten als Männchen mit kleiner Testes. Und für die Weibchen wird das Resultat sehr viel besser, wenn sie mit mehr als einem Partner kopulieren. (Ref. 3)

til toppenHiermit kommen wir der Sache näher, aber wie kann ein weiblicher Vogel erkennen, ob der männliche Partner grosse oder kleine Testikel hat? Diese sitzen ja wie bekannt beim Vogel im Körper.

til toppenDer Unterzeichnende sammelte in den 60er Jahren ca 1000 Spatzen in Dänemark und präparierte diese als Vogelbälge.(Vogelbalg = ausgestopfter Vogel zu wissenschaftlichen Zwecken mit der grösstmöglichen Anzahl Daten). Diese Anzahl Daten ist so umfassend und weltweit findet man sicher nicht mehr als fünf Sammlungen dieser Grösse lt. A.P. Møller. Deshalb war das vorliegende Forschungsmaterial bestens geeignet, diese Hypothese zu überprüfen. Alle männlichen Exemplare der Brutzeit wurden nach Todesdatum überprüft. Der Kehlfleck wurde in Breite und Länge vermessen und diese Daten mit der Testikelgrösse und dem Gesamtgewicht des Vogels verglichen. Und wie erwartet zeigte sich, dass die Männchen mit dem grössten Kehlfleck auch die grösste Testes hatten! (Ref. 4)
Man war des Rätsels Lösung einen Schritt näher gekommen. Wieder bestätigte sich Darwin´s Theorie, dass der Stärkste überlebt und die meisten Nachkommen zeugt. (Ref. 5)

til toppenAber, durch diese interessante Entdeckung animiert, begannen die Spekulationen, ob für die Weibchen möglicherweise bei der Partnerwahl eines Vogels mit grossem Kehlfleck und Testes noch andere Überlegungen eine Rolle spielen. Zusammen mit dem Partner ist es ja harte Arbeit im Laufe einer Saison 3-4 mal zu brüten und die Jungvögel aufzuziehen.
Dazu gehört nicht nur ein hübscher schwarzer Kehlfleck, sondern auch die Grösse und Widerstandskraft des Partners ist von Bedeutung. Zum Beispiel im Bezug auf Parasiten. Viele Vögel werden durch Ungeziefer stark angegriffen, geschwächt und sterben u.U., nachdem sie die Ungezieferplage an den Partner und die Jungen weitergegeben haben.

til toppenDas Immunsystem der Vögel ist bis heute wenig erforscht. Es hat sich jedoch gezeigt, dass männliche Rauchschwalben mit den längsten Schwanzfedern (diese sind bei Rauchschwalben ein Statussymbol) über ein besseres Immunsystem verfügen als andere Männchen. (Ref. 6+7) Dabei spielt die bursa Fabricii Drüse, die sich in der Nähe der Afteröffnung befindet, beim Jungvogel eine zentrale Rolle als Antistoff-Synthese. Bevor der Vogel geschlechtsreif wird, schrumpft diese Drüse wieder. Auch die Angaben über bursa Fabricii waren in der vorgenannten Sammlung vorhanden, deshalb war eine Überprüfung auch dieser Hypothese möglich.
Alle Schwingfedern wurden auf sogenannte "fault bars" (transparente Quertstreifen) hin kontrolliert. Diese entstehen, wenn der Vogel während des Federwachstums Hunger- oder Stress-Situationen ausgesetzt wird. Die Untersuchung zeigte, dass Männchen mit grossem Kehlfleck bedeutend weniger "fault bars" und weniger Parasiten (einige fressen Löcher in die Federn) und eine kleinere bursa Fabricii Drüse hatten als die hart angegriffenen Exemplare mit einer grossen bursa Fabricii und einem kleinen Kehlfleck.

til toppenMit anderen Worten: durch die Wahl eines Männchens mit einem grossen Kehlfleck und grosser Testes sichert sich das Weibchen nicht nur im Bezug auf Fruchtbarkeit sondern findet auch einen parasitresistenten Partner, von dessen Stärke und Gesundheit es und die Gene der Nachkommen profitieren. (Ref. 8) Auf der Negativseite schlägt zu Buche, dass bei manchen Vogelarten nachweislich die Exemplare mit ausgeprägten Farben weniger aktiv bei der Futtersuche sind als solche mit weniger klar gezeichnetem Gefieder. (Ref. 11)

til toppenDie Geschichte vom Kehlfleck des männlichen Spatz geht aber noch weiter. Wie bekannt mausert jeder Vogel einmal jährlich, manche Arten sogar zweimal, nämlich wenn sich das Sommerkleid vom Winterkleid unterscheidet. Der männliche Spatz hat wie auch das Rohrammer- und Schneeammermännchen eine intelligente und energiefreundliche Strategie entwickelt: die einzige Pracht des Männchens, nämlich der schwarze Kehlfleck, wird nach der Herbstmauser von den neuen graugeränderten Federn vollständig verdeckt. Im Laufe des Winters und Frühjahres nutzt sich diese Verbrämung ab und der schwarze Kehlfleck in seiner ganzen Pracht wird wieder sichtbar.
Dadurch sichert sich der männliche Vogel nach der anstrengenden Brutsaison eine Pause und muss nicht unentwegt um die Gunst des Weibchens kämpfen, sondern kann sich auf die Futtersuche bzw. anstrengende Mauser konzentrieren. Auch vor evtl. Feinden ist das Männchen durch das unscheinbare Federkleid besser getarnt.(Ref. 9)

til toppenBeim Studium der Spatzen im Winter in der Natur entdeckte A.P. Møller, dass einige Männchen mehr Zeit zum Putzen ihrer Federn aufwendeten, hier besonders auf die Kehlfedern. Dieses war die Ursache, die vorgenannte Balgsammlung noch einmal zu untersuchen. Nach einer chronologischen Einteilung wurde der graue Rand am Kehlflecken vermessen (drei verschiedene Stellen an jedem Vogel). Und es zeigte sich, dass die Männchen mit der grössten Testes, die späterhin auch den grössten Kehlfleck aufzeigen, einen grösseren Verschleiss an Kehlfleckfedern hatten. Dieser kann nur vom verstärkten Putzen herrühren. (Ref. 10)

til toppenDem entgegen hatten die Männchen mit dem kleineren Kehlfleck und dem niedrigeren sozialen Status keine besondere Eile, ihre wahre Identität den Weibchen gegenüber zu enthüllen. Denn es sind die Weibchen, die den Partner wählen. (Ref. 11)
Durch die geringere Rivalität hatten die schwächeren Exemplare mehr Zeit bei der Futtersuche. Dieser Vorteil trägt aber sicher nicht zur besseren Gesundheit bzw. Parasitenabwehr bei, da nur häufiges Putzen des Gefiederes eine effektive Verteidigung gegen Ungeziefer ist. (Ref. 12)

til toppenWie schlau so ein kleiner, grauer Spatz doch ist! Wer hätte das gedacht.

Copyright: Johannes Erritzoe, 1996

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til toppen Referenzliste:

  1. Møller, A. P. 1987: Variation in badge size in male House Sparrows Passer domesticus: evidence for status signalling. Animal Behav. 35:1637-1644.
  2. Burrows, W. H. & H. W. Titus, 1939: Some observations on the semen production of the male fowl. Poultry Science 18:8-10.
  3. Martin, P. A. & P. J. Dzuik, 1977: Assessment of relative fertility of males (cockerels and boars) by competitive mating. J. Reprod. Fert. 49:323-329.
  4. Møller, A. P. & J. Erritzoe, 1988: Badge, body and testes size in House Sparrows Passer domesticus. Ornis Scandinavia 19 (1):72-73.
  5. Darwin, C. 1859: On the Origin of Species by Means of Natural Selection. J. Murray, London.
  6. Saino, N., A. P. Møller, & A. M. Bolzern, 1995: Testosterone effects on the immune system and parasite infestations in the Barn Swallow (Hirundo rustica): An experimental test of the immunocompetence hypothesis. Behav. Ecol. (in press).
  7. Møller, A. P. 1991: Parasites, sexual ornaments, and mate choice in the Barn Swallow. in: Loye, J. E. & M. Zuk, (eds.): Bird-Parasite Interactions.Oxford University Press, Oxford. pp.328-343.
  8. Møller, A. P. Kimball, R. & J. Erritzoe, 1996: Sexual ornamentation, condition, and immune defence in the House Sparrow Passer domesticus. Behav. Ecol. Sociobiol. 39:317-322.
  9. Møller, A. P. 1989: Natural and sexual selection on a plumage signal of status and on morphology in House Sparrow Passer domesticus. J. Evol. Biol. 2:125-140.
  10. Møller, A. P. & J. Erritzoe, 1992: Acquisition of breeding coloration depends on badge size in male House Sparrows Passer domesticus. Behav. Ecol. Sociobiol. 31:271-277.
  11. Møller, A. P., R. Dufva, & J. Erritzoe, 1996: Host immune defense and sexual selection in birds. Evolution (in press).
  12. Clayton, D. H. 1991: Coevolution of avian grooming and ectoparasite avoidance. in: Loye, J. E. & M. Zuk: Bird-Parasite Interactions. Oxford University Press, Oxford. pp.258-289.

 

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